Mad Men Zürich
September bis Dezember 2015
Wie toll, wie gross, wie geil ist das, sagt der Mann. Er ist überlegen durch Geburtsrecht. Vor allem hat er Privilegien.
Die Moderne hat das heroische Selbstbild des straight white man empfindlich angekratzt.
Dr. Freud und Monsieur Lacan haben seine Allmachtsphantasien blossgelegt. Klarsichtige Frauen, phantasiebegabte Künstler, sexuelle Aufklärung, Humor, bürgerliche Verweichlichung, investigativer Journalismus, Skandale und informelle Kommunikation etc. hatten ihren Anteil an der Dekonstruktion dieses Männerbilds.
Aber vom Sockel gehauen, ausgelöscht haben sie es nicht. Der Egoshooter schiesst, das männliche Siegerantlitz strahlt und grinst uns überall entgegen, dezent oder arrogant, sympathisch oder fies, der Schöne ist auch das Biest. Die Macht ist männlich. Professoren, Manager und Politiker ... Die Welt bleibt eine Fifa-Welt, die Frauen verkleiden sich entweder in derselben Uniform wie die alten Herren oder sie müssen um ein paar Nischen der politischen Korrektheit kämpfen.
Die Geschichte der vergangenen 120 Jahre kann als fortgesetzter Kampf des weissen Mannes gegen seine Infragestellung verstanden werden. Ist «der Mann» nun mächtig oder ist er es nicht? Die meisten Menschen, also auch die Männer, verfügen über sehr wenig Macht. Das weiss nicht nur die emanzipierte Frau. Den Feind auszumachen ist nicht immer einfach. Die Frauen sind die Opfer, die Männer die Opfer der Opfer, schrieb Simone de Beauvoir.
Umso härter kämpfen die Männer für ihre Kern-Privilegien. Rückwärtsgewandt, aber im Bund mit der Technik, organisiert in Männerbünden und anderen Vereinigungen, verortet in Hinterzimmern, Sitzungssälen, Kriegsschauplätzen, Umkleidekabinen… Das hat viel Komisches, Belächelnswertes – ist aber auch historisch und real, bleibt am Schluss also grausam und unrühmlich.
Für uns kann diese Plattform auch ein selbstkritisches Forum werden. Für den einen oder anderen jedenfalls: Imperatoren und kleine Würstchen, Macht und Machtlosigkeit des durchschnittlichen (Schweizer) Mannes, Berufe und Fehlentscheidungen, Allmachtsphantasien, Aggressionen und Depressionen (auch in Verbindung miteinander), Krieg und Blamage, Coolness und Sadness, Kampagnen und mediale Durststrecken, Hass, verlorene Liebe, Konkurrenz um das Nichts. Kurzum: Durchaus persönliche Themen.
Unsere MAD MEN sind vier Stoffen entsprungen: Wir starten mit einer Geschichte vom Anfang der Moderne, mit dem machtlosen, geradezu schwächlichen Candide. Die Welt ist gerade in einem ersten Globalisierungsschub zusammengerückt und wird ihm in ganzer Brutalität und Drastik vor Augen geführt. Trotz ständig wechselnder Sitten und Gebräuche und anderer Relativierungen bleibt Candide der Lehre von der optimalen, «der besten der möglichen» Welt sein ganzes Männerleben lang treu. Die zweite Premiere ist eine Uraufführung der in Zürich lebenden Schriftstellerin Sibylle Berg, die erstmals ein Stück von sich selbst inszenieren wird. Es geht um eine kommende, chaotische Welt ohne Internet und die männliche Unfähigkeit, sich an ein solches neues Leben anzupassen. Dazu finden Sie einen Beitrag von der Autorin über Männer in Zürich. Peter Kastenmüller bringt das grossartige, 1948 in Zürich uraufgeführte Volksstück «Herr Puntila und sein Knecht Matti» von Bertolt Brecht auf die Bühne. Lesen Sie auch das Interview mit dem Schriftsteller und Musiker Michael Fehr, der an der Arbeit beteiligt ist. Brecht zapft die Tradition des Volksstücks und dessen derbe Komik an und führt uns den Puntila vor, in dem sich eine ganze Reihe männlicher Spaltungen bündeln. Ausserdem bringen wir eine weitere unterirdische Männerphantasie auf die Bühne, Franz Kafkas Erzählung «Der Bau», inszeniert von Peter Kastenmüller in Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Max Simonischek.
Premieren «Mad Men Zürich»
Mi 23. September, 20.00 Uhr, Saal
Schauspiel nach der Satire von Voltaire
Regie: Simone Blattner
Raum: Janina Audick
Kostüme: Sabin Fleck
Musik: Christopher Brandt
Dramaturgie: Inga Schonlau
Mit: Simon Brusis, Martin Butzke, Carolin Haupt, Maximilian Kraus, Yanna Rüger *, Miro Maurer
Sa 26. September, 20.00 Uhr, Saal
Von Franz Kafka
Eine unterirdische Männerphantasie
Mit: Max Simonischek
Einrichtung: Peter Kastenmüller, Max Simonischek
Bühne: Besim Morina
Beratung Sounds: Daniel Freitag
Kostüm: Modedesign Basman & Joel Basman
Do 08. Oktober, 20.00 Uhr, Saal
Von Sibylle Berg
Uraufführung
Regie: Sibylle Berg
Raum: Janina Audick
Kostüme: Svenja Gassen
Choreographie: Tabea Martin
Video: Kathrin Krottenthaler
Mit: Caroline Peters, Marcus Kiepe, Meret Bodamer, Sarah Gailer, Julia Haenni, Sandra Marina Müller
Mi 28. Oktober, 20.30 Uhr, Chorgasse
Eins:Eins
von Judith Schalansky
Regie: Peter Kastenmüller
Regie: Peter Kastenmüller
Mit: Cristin König
Do 05. November, 20.00 Uhr, Saal
Von Bertolt Brecht
Regie: Peter Kastenmüller
Raum: Janina Audick
Kostüm: Kathi Maurer
Künstlerische Mitarbeit/Musik: Michael Fehr
Chorleiterin: Lisa Appenzeller
Dramaturgie: Benjamin von Wyl
Mit: Simon Brusis, Martin Butzke, Hanna Eichel, Maximilian Kraus, Yanna Rüger *, Sophie Arbeiter*
Do 03. Dezember, 20.30 Uhr, Chorgasse
Von Walter Benjamin
Regie: Heike M. Goetze
Mit: Simon Brusis, Dagmar Bock*
Do 10. Dezember, 20.30 Uhr, Chorgasse
Kleines Schauspiel vom wahren Leben
Mit: Ilknur Bahadir und Mika Kaegi
Inszenierung: Ilknur Bahadir
Extras
Im Rahmen von ZÜRICH LIEST
Gespräch mit Sibylle Berg und Klaus Theweleit - anschliessend Wrestling (ab 21:30 Uhr) im Neumarkt-Saal!
Gast: Talaya Schmid, Strapazin / Porny Days
In Kooperation mit DAS MAGAZIN
Einmalige Leseshow
Von und mit Minitheater Hannibal
Diskussion um «Candide» mit Prof. Dr. Markus Huppenbauer (Ethik-Zentrum UZH), Anna Stünzi (Präsidentin Junge Grüne Zürich), Dr. Markus Christen (Ethik-Zentrum UZH), Inga Schonlau (TN) und Schauspielern des Theater Neumarkt
Freier Eintritt
Werkschau des LAB Junges Theater Zürich